Erziehen, überwachen, regulieren

Ärztetag offenbart neues Gesundheitsverständnis

24.07.2022 von Christian Zehenter

Gesundheitstotalitarismus: Das scheint die Agenda der Ärzteschaft im Jahr 2022 zu sein. So stellte der 126. Deutsche Ärztetag seine Vision einer neuen Gesellschaft vor, wie sie George Orwell Ehre machen würde. Impfregister, Tracking-Apps, Gesundheitserziehung, Verhaltensmanagement, weiterer Behördenausbau (auch der STIKO) und mehr staatliche Kontrolle sollen uns zukünftig noch gesünder machen.

Ziel sind nicht Freude und Lebendigkeit, sondern Lebensjahre

Das Ziel ist nicht etwa Wohlbefinden, Lebensfreude, Selbstbestimmung, Freiheit, soziale Nähe, Sinnfindung, Genuss oder Bewusstheit, sondern: ein langes Leben. Diesem Primat (das wie zufällig einem Kontrollstaat entspricht) möchten die Ärztevertreter alle Lebensbereiche unterordnen - und selbstverständlich federführend am entsprechenden Umbau der Gesellschaft mitwirken. Warum ein langes Leben (das durch Erziehungsmaßnahmen ohnehin nicht zu erreichen sein wird) besser ist als ein glückliches Leben, können sie nicht erklären.

Ärzte sind Spezialisten für Krankheit, nicht für Gesundheit

Denn sie sind Spezialisten für Krankheit und nicht für Glück oder Gesundheit. Und die Bekämpfung jeder Form des (potenziellen) Krankseins ist ihr Geschäft. Daher kann ein Arzt von Berufs wegen nichts über glückliche Beziehungen, inneren Frieden, Genuss, Freiheit oder Glück durch Körperlichkeit und Mitgefühl sagen, aber vieles über Viren, Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall - und natürlich das Geschäft mit diesen "Dysfunktionen". Aus diesem dystopischen Menschenbild wird ihm der Mensch leicht zur Zahl: Lebensjahre statt Lebensqualität, soziale Distanz statt soziale Nähe, Disziplin statt Genuss, Daten statt Gefühle. Der Mensch wird aus dieser technokratischen Sicht zur biologischen Maschine, deren bloßes Funktionieren um jeden Preis zu gewährleisten ist. Abweichungen von der vorgeschriebenen Perfektion bedeuten Schwäche und müssen korrigiert werden.

Ein gesunder Mensch ist stark und solidarisch, ein (potenziell) kranker schwach und unsozial

Der Mensch soll nicht nur täglich argwöhnisch seine Gesundheit und alle ihre vermeintlichen Bedrohungen überwachen (was selbst bereits eine schwere Krankheit darstellt), sondern gilt auch noch als verantwortlich dafür. Ein kraftvoller, gesunder, aufrechter Mensch ist demnach stark, vernünftig und solidarisch, ein (potenziell) krankender hingegen schwach und unsozial. Wir wissen, woher uns dieses eugenische Menschenbild bekannt vorkommt. Dennoch taucht es immer wieder in der deutschen Geschichte und Medizin auf. Die Optimierung des Körpers, Lebens, Individuums und Kollektivs soll unser höchstes Ziel sein, dem wir alles unterordnen. Die Ironie der Geschichte: Das Leben endet immer tödlich. Und ob es schließlich lang oder kurz war, wird es am Ende vergangen sein wie ein Blitz in der Nacht - und bald ebenso vergessen. Gesundheit und Krankheit sind dabei entgegen technokratischer Verheißungen nicht kontrollierbar (weil v. a. von Genen, Zufällen, Emotionen und Lebensbedingungen abhängig) - und zum anderen viel eher Gefühle als Daten. Denn am Ende, wenn die Monate und Jahre zu einem Punkt zusammengeschmolzen sind, zählt nicht, wie lang, sondern ob wir gelebt haben. So vermissen Menschen am Lebensende rückblickend nicht mehr Medikamente, Arztbesuche, Lebensjahre, Hygienemaßnahmen, Arbeit oder Disziplin, sondern laut Bronnie Wares Bestseller „5 Dinge die Sterbende am meisten bereuen“: 1. den Mut, das eigene Leben zu leben, 2. weniger arbeiten, 3. Mut, Gefühle auszudrücken, 4. Kontakt zu Freunden, 5. sich erlauben, glücklicher zu sein. Das Gute daran: All dies lässt sich direkt umsetzen, braucht keine Sittenwächter und Verbote und kostet: nichts.

Kinder durch Hygienediktat krank machen, um sie dann retten zu wollen

Nachdem durch die von der Ärzteschaft beklatschten - wenn auch angesichts der Inzidenzen wirkungslosen - rigorosen Hygienemaßnahmen rund die Hälfte der Kinder und Jugendlichen Depressionssymptome entwickelte und sich auch Essstörungen, Ängste und Mediensucht bei ihnen etwa verdoppelt haben, behaupten die Standesvertreter, wie die Wochenzeitung Epoch Times hier berichtet: „Der Ärztetag setzt sich dafür ein, bei zukünftigen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung vor allem das Wohl von Kindern und Jugendlichen ganzheitlich zu berücksichtigen (…).“ Nach zwei Jahren ärztlich befeuertem Gesundheitstotalitarismus, sozialer Distanz und Angstpropaganda auf Kosten der Gesundheit besonders der jungen Generation glauben sie sich diese Phrase allerdings vermutlich nicht einmal mehr selbst. Denn obwohl Ärzte als Mediziner natürlich wussten, dass sie es nicht mit einer tödlichen Infektionskrankheit, gefährlichen Pandemie und erhöhten Gesamtsterblichkeit zu tun haben, duckten sie sich unter dem internationalen Gesinnungsdiktat weg, lieferten renitente Kollegen ans Messer und feierten den Kult nach Kräften mit. Somit wäre ein erster Schritt nicht die Forderung nach noch mehr Erziehungs- und Überwachungsstaat, sondern eine Entschuldigung gegenüber den Opfern ihres Handelns und die Überwindung ihrer technokratischen, materialistischen Sicht des Menschen und seiner Gesundheit.

 

Bildquelle: Shutterstock / Photographee.eu

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