Der Publizist Walter van Rossum über Selbstverteidigung und neue Wege
Interview: "Das Schreiben ist auch eine Form, sich zu wehren"
11.07.2022 von Barbara Feldmann
In seinem Buch „Meine Pandemie mit Professor Drosten“ durchleuchtet Walter van Rossum die politischen, wirtschaftlichen und personellen Verflechtungen rund um den Pandemie-Protagonisten Christian Drosten (hier geht es zur Rezension). Forum 21 hat sich mit dem Autor und Medienkritiker über initiale Momente, Selbstverteididung und neue Projekte unterhalten.
Forum 21: Herr van Rossum, Ihr Buch „Meine Pandemie mit Professor Drosten“ war doch aufbauend zu lesen. Nicht die Zustände, die sie beschreiben – es ist vielmehr die Klarheit, die man aus Büchern wie dem Ihrem gewinnen kann, die aufbaut.
Walter van Rossum: Das ging mir ehrlich gesagt selbst so. Das Schreiben war eine Art Selbstverständigung. Eigentlich wollte ich ein anderes, ein eher witziges Buch schreiben. Daher rührt auch noch der Titel. Je mehr ich allerdings im Stoff fortschritt, umso schlimmer wurde es. Mit jeder Minute Recherche habe ich mehr und andere Dinge kapiert und kam damit auf eine ganz andere Schiene. Im Nachhinein würde ich sagen: Das Schreiben ist auch eine Form ist, sich zu wehren. Man ist dem Ganzen nicht mehr so ausgesetzt. Viele Leute haben mich gefragt, wo meine Heiterkeit herkäme. Dabei war mir gar nicht klar, dass ich so heiter bin. Aber es ist so. Ich kenne viele Leute, die sind in Wut und Opfertum versunken. Das ist sehr gut verständlich. Wenn ich schreibe, rüste ich mich hingegen selbst auf und bringe mich in eine andere Sicht.
Gab es einen Impuls, einen entscheidenden Moment, an dem Sie gemerkt habe, dass Sie sich gegen die Geschehnisse verteidigen müssen?
Ja, dieser Moment ist vielleicht enttäuschend anekdotisch. Ich saß irgendwann mal nachts im Mai oder Juni vor dem Fernseher. Es war auch Alkohol im Spiel, das gebe ich zu. Dann hörte ich im NDR dieses Corona-Virus-Update. Ich habe mir gedacht: Einer von uns beiden spinnt – was der Mann da erzählt, ist Quatsch. Ich hatte allerdings mich selbst im Verdacht, der Spinner zu sein. Schließlich war ich ja nicht ganz nüchtern. Deshalb habe ich mir das Ganze am nächsten Tag noch einmal klaren Kopfes angehört. Und musste erkennen, dass es noch viel schlimmer ist, als ich dachte. Aus diesem Erlebnis entstand das Buch, das dann ein ganz anderes wurde.
Wenn Sie heute, fast zwei Jahre später, die Gelegenheit hätten, Ihr Buch noch einmal neu zu schreiben, welche Kapitel würden Sie ergänzen?
Ich würde ein paar Sachen raffen, die ich besser darstellen könnte. Im Großen und Ganzen würde ich es aber so lassen. Die Versuchung, die mit „Big Pictures“ überschriebenen Kapitel auszudehnen, ist allerdings immens. Die würde ich neu schreiben und ein paar Netzwerke besser darstellen, obwohl ich es für sehr schwierig halte. Andererseits gibt es Bücher wie die von Thomas Röper, in denen sehr gut gezeigt wird, wie es bei Bill und Melinda zugeht und was die jetzt wieder mit Gavi zu tun haben und so weiter und so fort. Es ist in der Zwischenzeit natürlich noch einiges dazugekommen, die ganze Impfgeschichte beispielsweise. Um das Kapitel hätte man das Buch noch erweitern können. Aber auch das haben mittlerweile andere übernommen.
Und die Zahlen? Da hat sich doch dauernd etwas verändert.
Fehler hat mir zum Glück noch keiner nachgewiesen. Davor hatte ich immer Angst, wenn man im Tumult schreibt. Aber es gibt ein Problem mit den ständig korrigierten Zahlenreihen, wie das zum Beispiel bei den Intensivbetten der Fall ist. Da ist das Buch auf dem Stand, der damals bekannt war. Ich hätte das vielleicht jedes Mal dazusagen müssen. Mir war aber nicht klar, dass man wirklich ganze Reihen von Zahlen neu schreibt oder umschreibt. Auf der Faktenbasis, die ich damals einsehen konnte, sind die Ausführungen jedoch alle korrekt.
Haben Sie denn im Moment etwas auf dem Schreibtisch, ein neues Selbstverteidigungsprojekt?
Ja, habe ich. Nachdem ich mit Tom Lausen die Intensiv-Mafia veröffentlicht habe, sitze ich jetzt an einem Buch, mit dem ich sozusagen die Corona-Kampfarena verlasse. Ich möchte mich da nicht mehr aufhalten. Zurzeit arbeite ich an einer Sache, deren Arbeitstitel ich mal „Unsere Parallelgesellschaft“ nennen würde. Ich will damit zeigen, wie sich mit Corona eben eine Art Parallelgesellschaft entwickelt hat. Es gibt unglaublich viele Initiativen, die sich auch kaum fassen lassen. Allen ist gemeinsam, dass sie nach Alternativen suchen. Also nach anderen Gesundheitssystemen, nach Gesundheitshäusern und nicht Krankenhäusern, nach anderen Formen von Kitas, Kindererziehung, Bildung. Und einem anderen Geldsystem natürlich. Es gibt mittlerweile ganze Dörfer, die sich autark gemacht haben – was die Energie betrifft und was Wirtschaft angeht. In der Regel sind sie genossenschaftlich organisiert.
Und wie lautet Ihr Zwischenfazit nach den ersten Recherchen?
Es ist so verblüffend viel Material, ich habe ehrlich gesagt gedacht, die Aufgabe wäre leichter. Ich mache das Buch zusammen mit Ulrich Gausmann, der sich in den Netzwerken sehr, sehr gut auskennt. Wir haben viele Leute interviewt und sie nach ihrer persönlichen Entwicklung gefragt. In Summe wird das Buch eine Art Chronik dessen, was seit 2020 passiert ist. Die Medien liefern hierfür ein anschauliches Beispiel. Seit Anfang 2020 haben sie sich voll umgedreht und beim Ukraine-Krieg noch einmal eine Volte draufgelegt. Es ist zu einem sagenhaften Gesinnungsjournalismus gekommen. In dieser Zeit sind unheimlich schnell alternative Informationsplattformen entstanden, die eine relativ hohe Reichweite hatten. Ich habe daraus wahnsinnig viel gelernt. Meine virologischen Kenntnisse sind Bescheiden, das muss ich ganz ehrlich sagen. Doch wir alle haben uns ein Wissen angeschafft, was – so glaube ich – auftrittsfähig ist.
Sicherlich gibt es auch in anderen Bereichen spannende Projekte?
Ja, auf jeden Fall. Viele Leute wollen einfach etwas anders machen. Zum Beispiel der Aufbau eigener Server, die nicht mehr kontrollierbar sind. Das ist bis jetzt eben leider noch nicht der Fall. Oder dass man neue Formen medialer Distribution entwickelt – der Publizist Dirk Pohlmann ist hier sehr aktiv. Ein Mensch wie Jimmy Gerum wiederum setzt sich mit seiner Initiative „Leuchtturm ARD“ dafür ein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk wieder uns gehört und nicht mehr so einen Mist fabriziert. Ich freue mich auf das Buch, weil es auch wieder eines ist, bei dem ich am Anfang nicht wusste, wie es wird. Ich schreibe keinen Plan runter, sondern beuge mich über das Material, rede mit Menschen und es entsteht täglich etwas Neues.
Wo liegt Ihr persönlicher Gewinn?
Es ist wieder eine Form von Selbsthilfe. Es hilft, wenn wir merken, wie viele wir sind und wie viele Leute neue Wege suchen. Es scheinen eine ganze Reihe von Menschen vor der Alternative zu stehen, entweder hier in unserem Land etwas Neues, also auch etwas spirituell Neues zu finden, oder abzuhauen. Was mir übrigens ganz ähnlich geht. All jenen will ich mit dem Buch – es ist sozusagen ein prospektives und nicht ein kritisches Buch – zeigen, was schon alles gewachsen ist. Und was, so hoffe ich, gut funktioniert und Modell ist für das, was kommen könnte. Denn die Utopien der Pandemiker sind ja nun ehrlich gesagt nicht so irre aufregend. Außer dem Überleben zu miesen Bedingungen bieten sie nicht sehr viel an. Und da auch schon vor der Pandemie viele Leute nicht sehr glücklich waren mit dem, was und wie sie es gemacht haben, sind diese neuen Gesellschaftsstrukturen schon ein Thema, das für viele interessant ist.
Das klingt in der Tat nach verheißungsvollen Perspektiven. Ich würde dennoch gerne noch einmal einen Blick auf die derzeit vorherrschenden Erzählungen richten. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind wir ja quasi über Nacht von einer existenziellen Bedrohung in die nächste geraten. Gibt es Parallelen, wenn man das Storytelling der Corona-Pandemie mit der medialen Aufbereitung des Ukraine-Konflikts vergleicht?
Zunächst einmal sind es dieselben Geschichtenerzähler. Und es sind maximale Bedrohungen, maximale Dämonisierungen. Dieses unsichtbare Teilchen da, was die Menschheit auffressen könnte, und dieser unverständliche irre Russe. Das sind Kandidaten aus irgendeinem Höllenkabinett. Ich habe nie darüber nachgedacht, wie parallel die Narrative sind, sondern die Wirkung ist einfach gleich. Vor allen Dingen, wenn das eine an das andere anschließt. Was mich immer verblüfft hat: 2013, 2014 ging das mit den Majdan-Protesten in Kiew los. Damals geschah so etwas, was ich mir immer gewünscht hatte. Organe wie die Tagesschau bekamen massenweise sehr kritische Leserbriefe oder E-Mails für ihre Berichterstattung. Das waren sie überhaupt nicht gewohnt. Die damalige Berichterstattung führe dazu, dass 39 Prozent der Deutschen von Lügenpresse sprachen (was ich im Übrigen für ein problematisches Wort halte). Dieselben Leute, die damals über die Berichterstattung empört waren, müssen mittlerweile so weichgekocht sein, dass sie das alles vergessen haben. Das aktuelle Palaver über den Krieg ist in weiten Teilen unanständig, fies und dümmlich. Doch große Teile der Bevölkerung sind sozusagen vorgegart und zeigen eine große Bereitschaft, jetzt dem Rudel zu folgen.
Ist der Ukraine-Konflikt nicht eine außenpolitische Nebelkerze, um innenpolitische oder wirtschaftliche Probleme, die bereits existieren oder die noch kommen werden, zu verschleiern?
Man stellt damit die innenpolitischen Katastrophen sogar her. Europa tut alles dafür, sich selbst zu schaden – auf Geheiß der Vereinigten Staaten. Dieser Schaden ist sichtbar. Einen höheren Dieselpreis könnte man zur Not hinnehmen und ein bisschen Ausgleich für bestimmte Betroffene schaffen. Aber Inflationsraten von acht Prozent, die nicht durch Lohnerhöhungen und durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden, sind für viele Leute eine Katastrophe. Eine Katastrophe, die gerade erst anfängt. Aber ich versuche noch einmal das Optimistische zu sehen: Ich glaube, wir werden mehr. Wir sind immer noch eine dramatische Minderheit, aber wir werden mehr. Und es geht nicht mehr unbedingt um die Frage Corona. Es geht um die Frage der Grundrechtseinschränkungen. Es geht um die Frage der Lügen. Mich persönlich macht es sehr betroffen, dass man mit bestimmten Leuten nicht mehr reden kann. Die Art und Weise, wie man kritische und hinterfragende Menschen aussortiert, kriminalisiert und pathologisiert hat, hätte ich nicht für möglich gehalten. Es ist allerdings auch mit das stärkste Argument, dass wir nicht ganz falsch liegen können.
Um noch einmal auf den Antihelden Ihrer Pandemie-Chronik zu sprechen zu kommen: Gerade ist es eher ruhig um Professor Christian Drosten. Was prognostizieren Sie für seine weitere Karriere?
Ich habe letztens mit Leuten gesprochen, die sind fest der Überzeugung, dass der auffliegen und dass das alles nicht folgenlos sein wird. Dieser Einschätzung kann ich nicht folgen. Ich glaube, der Mann sitzt fest im Sattel und die ganze Geschichte wird nie so aufgearbeitet, wie sie es verdient hätte. Ich nehme an, dass er jetzt verstanden hat, dass da nichts mehr zu holen ist. Er hat uns den Glaubenssatz mit auf den Weg gegeben, dass die Maske das einzige ist, was uns noch hilft. Das ist wieder diese schöne Drosten-Paradoxie: Auf der einen Seite die Maske, die uns schützt, und auf der anderen Seite sollen wir uns massenweise anstecken, um immun zu werden. Natürlich auf der Grundlage von 97 Impfungen. Dieses Vermächtnis kann man nicht mehr toppen. Am Anfang war er beim Corona-Update noch viel skeptischer als die Moderatoren, die ihn andauernd zu einer Katastrophe befragen wollten, die nicht eingetroffen ist und die er auch nicht kommen sah. Aber er passt sich dann ja sehr schnell den Gegebenheiten an, die er durch seinen PCR-Test mitgeschaffen hat. Wahrscheinlich hat er nun einfach das Gefühl, dass sein Ruf noch weiter gefestigt ist. Schließlich sitzt er als Zentralkoordinator in einem weltweiten Referenzlabor für die Diagnostik. Ist ok. Da brauch man nicht mehr täglich in die Medien. Es wird schon wieder etwas kommen.
Gibt es einen anderen Akteur im aktuellen Weltgeschehen, den Sie sich gerne vornehmen würden?
Ich finde Bill Gates wirklich ungeheuer interessant, weil das alles einen wahnsinnigen Vorlauf hat. Weil er mit einer Intriganz und Schlauheit ein Ding aufgebaut hat, das wir – so glaube ich – immer noch nicht ganz überschauen. Zugleich agiert er dabei relativ transparent und hat eine unfassbare Macht. Ich glaube, es geht ihm gar nicht darum, jetzt noch ein paar Milliarden mehr obendrauf zu legen, das Geld ist irgendwann uninteressant. Es geht um das Machtbewusstsein, das der Typ hat, mit dem er sich durchsetzt. Das andere, was mich reizen würde, wäre weniger die Person als die Organisation. Also Klaus Schwab und das WEF, das Weltwirtschaftsforum. Ich kann nach wie vor schwer verstehen, dass so ein Typ wie ich, der nicht unkritisch ist, nicht einmal andeutungsweise eine Ahnung hatte von dem, was dieses WEF so macht. Was das für eine ausgekochte Organisation ist, die so viel finanzielle und politische Macht zusammenführt. Das würde ich gerne mal durchdringen. Es ist ja auch bezeichnend, dass das letzte Buch, das über WEF von einem englischen Ökonomen verfasst wurde, von 2006 ist, soweit ich weiß. Seitdem hat sich noch einmal sehr, sehr viel geändert. Es dürfte allerdings nicht ganz leicht sein, da an Informationen zu kommen.
Das Interview führte Forum 21-Redakteurin Barbara Feldmann.
Walter van Rossum, Jahrgang 1954, schloss sein Studium der Romanistik, Philosophie und Geschichte in Köln und Paris 1988 mit einer Dissertation über Jean-Paul Sartre ab. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits längst als freier Autor im medialen Mainstream etabliert – von WDR bis DLF, von ZEIT bis FAZ. Mit den Büchern »Meine Sonntage mit Sabine Christiansen«
(2004) und »Die Tagesshow: Wie man in 15 Minuten die Welt unbegreiflich macht« (2007) wurde er als Medienkritiker einem großen Publikum bekannt. Das aktuelle Geschehen rund um den Corona-Wahnsinn veranlasste ihn, nach dem großen Erfolg von »Meine Pandemie mit Professor Drosten« gleich noch einmal nachzulegen, um die Machenschaften weiterer Pandemie-Profiteure schonungslos offenzulegen: "Die Intensiv-Mafia, Von den Hirten der Pandemie und ihren Profiten" (zusammen mit Tom Lausen).
Bildquelle: Walter van Rossum
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