Blindflug ohne Resultate

Sachverständigen-Gutachten und Masken: Gehorsam statt Evidenz

28.09.2022 von Dr. med. Volker Schmiedel

Am 01.07.2022 wurde in einer pompösen Pressekonferenz die Veröffentlichung des Gutachtens der Bundesregierung zu den Corona-Maßnahmen bekanntgegeben. Ziel des Gutachtens war es, Evidenz über den Nutzen der Corona-Maßnahmen zu erlangen. Na prima! Nach 2 ½ Jahren Fahrt im Nebel ohne Kenntnis der Risiken und des Nutzens bestimmter Maßnahmen sollten wir endlich Beweise erhalten, welche Maßnahmen sich wie ausgewirkt haben.

Man kann den Politikern noch nicht einmal Vorwürfe dafür machen, dass sie am Anfang vielleicht ein wenig über das Ziel hinausgeschossen sind. Gut, der erste Lockdown im April 2020 war unnötig, da der Höhepunkt der ersten Corona-Welle schon am 19.3.20 überschritten wurde.

Komplette Maßnahmen ohne Evidenz

Die weiteren Corona-Maßnahmen wie Schließung der Schulen, Maskenpflicht im Unterricht und nächtliche Ausgangssperren spare ich mir, ausführlich zu erwähnen. Das waren alles freiheitseinschränkende Maßnahmen. Diese wären nur dann legitim gewesen, wenn man denn einen gesundheitlichen Nutzen hätte nachweisen können. Und zu Beginn konnte man das selbstverständlich nicht. Dann hätte man aber wenigstens eine begleitende Forschung machen müssen, um nachweisen zu können, ob diese Maßnahmen bei der nächsten Welle oder einer kommenden Pandemie wieder durchgeführt werden sollten.

Kein Geld für Forschung, Shitstorms für unbequeme Ergebnisse

Während durch die europäischen Länder für die Impfstoffentwicklung 7.500.000.000 € bereitgestellt wurden, gab es praktisch keine Gelder für eine solche Forschung. Es gibt weltweit wenige solche Studien, in Deutschland fast gar keine. Für die erste und wichtigste Studie in Deutschland, die sogenannte Heinsberg-Studie, erhielt der Initiator, der Virologe Streeck, erhebliche Kritik, als er nachwies, dass das RKI die tödliche Gefahr des Virus um den Faktor 10 – in Worten: das Zehnfache – falsch zu hoch eingeschätzt hatte.

Da keine öffentlichen Gelder für eine notwendige Forschung zu Corona und den Maßnahmen bereitgestellt wurden und die Autoren mit einer Minderung ihrer Reputation rechnen mussten, weil vielleicht Ergebnisse erzielt werden konnten, die dem Mainstream widersprachen, wundert es nicht, dass sich die Wissenschaftler, die solche Studien hätten durchführen konnten, still und leise in ihren Elfenbeintürmen versteckten.

Gutachten: Danksagungen und Allgemeinplätze statt Ergebnisse

Umso glücklicher war ich, dass jetzt endlich die geballte wissenschaftliche Macht der immerhin weltweit erhobenen Daten Klarheit um das Wirrwarr der Maßnahmen bringen sollten. Ok, ich war schon ein wenig überrascht, dass bei der Pressekonferenz nicht ein einziges Ergebnis präsentiert wurde, sondern Lauterbach und die Gutachter sich in gegenseitigen Danksagungen und Beweihräucherungen erschöpften. Auch in allen Nachrichtensendungen des Tages wurden Ausschnitte der Pressekonferenz gezeigt – aber kein einziges Resultat. In den nächsten Tagen tat sich ebenfalls nichts. Und Youtube-Videos, die Einzelheiten des Gutachtens erläutern, fand ich auch nicht.

So sah ich mich genötigt, das komplette Gutachten selbst durchzuarbeiten. Immerhin ist es leicht zu finden. Hier der Link für alle, die sich das antun wollen:
https://www.tagesschau.de/gutachten-sachverstaendigenrat-corona-101.pdf

Maskenpflicht: Intransparentes Flickwerk im Namen des Gehorsams

Das Beispiel der Maskenpflicht verdeutlicht die Intransparenz des Maßnahmenaktionismus. Da am 1.10.22 die Maskenpflicht in den Flugzeugen zwar aufgehoben wird (vermutlich auf Druck der internationalen Fluggäste, die in praktisch keiner Fluglinie mehr mit solchen Schikanen drangsaliert werden, und den Bitten der Lufthansa, der die Passagierzahlen wohl einzubrechen drohten), wird in den Zügen die Maskenpflicht noch verstärkt: In Fernzügen muss dann eine FFP2-Maske getragen werden. In Regionalzügen bleibt es den einzelnen Bundesländern vorbehalten, darüber so oder so zu entscheiden. Häh? Ich fahre ein paar Kilometer mit dem ICE von Kassel nach Göttingen und muss zwingend eine FFP2-Maske aufsetzen. Wenn ich mit Regionalbahnen von Flensburg nach Garmisch-Partenkirchen fahre, viele Stunden lang, einige Zeit davon in überfüllten Zügen mit Berufsverkehr, dann reicht eventuell nur eine chirurgische Maske. Eventuell deshalb, weil es ab 1.10.22 den Ländern weitgehend überlassen bleibt, es bei der chirurgischen Maske zu belassen oder aber eine FFP2-Maske vorzuschreiben. Es könnte natürlich auch so sein, dass ich bei einer solchen Fahrt in Schleswig-Holstein eine FFP2-Maske tragen muss, in Hamburg eine chirurgische, in Niedersachsen wieder eine FFP2, in Hessen erneut eine chirurgische und in Bayern schließlich wieder eine FFP2-Maske. Dieses Wirrwarr könnte so kommen.

FFP2-Masken bei Schülern und Fernreisenden: Wider den Arbeitsschutz

Und Schüler müssen eventuell auf Anordnung der Länder ab der 5. Klasse auch wieder eine Maske tragen – und zwar auch eine FFP2-Maske, weil es sich damit so schön schwer atmen lässt, was die Lungen trainiert und das Lernen unter verringerter Sauerstoffzufuhr des Gehirns einübt. Sorry, ich werde jetzt zynisch, aber ich kann die Quälerei der Fernreisenden und der Schulkinder mit den die Atmung deutlich erschwerenden FFP2-Masken bei fraglichem Nutzen einfach nicht nachvollziehen. Ich werde aber sofort wieder zu offiziellen Regeln und zur Wissenschaft zurückkehren. Hier ist eine Arbeitsschutzverordnung zur FFP2-Maske:
https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Coronavirus/FAQ/PSA-FAQ-24.html

Danach müssen Berufstätige, die wegen des Umgangs mit gefährlichen Stoffen in der Luft eine FFP2-Maske tragen müssen, diese nach 75 Minuten für 30 Minuten absetzen. Müssen! Das ist Vorschrift zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigen. Zwingend vorgeschrieben. Was für Berufstätige gilt, gilt aber noch lange nicht für Schulkinder und Bahnreisende! Kann mir das jemand mal erklären? Vielleicht Herr Lauterbach? Oder Herr Wieler?

USA erklären Pandemie für beendet, Deutschland startet in Maskenwinter

Die USA haben die Corona-Epidemie gerade für beendet erklärt. In Ländern wie der Schweiz gibt es seit Monaten keine Maskenpflicht mehr – nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und noch nicht einmal in Gesundheitseinrichtungen. In Schweden hat es in der gesamten Krise immer eine Empfehlung, aber nie eine Pflicht zum Tragen der Maske im ÖPV gegeben. Und gab es da höhere Inzidenzen oder mehr Todesfälle? Nein und nochmals nein!

Belastbare Studien zur Wirksamkeit von Masken existieren nicht

Es gibt tatsächlich gewisse Hinweise auf eine Evidenz zum Tragen von Masken, wie das Gutachten (S. 100) feststellt: „In einer Analyse des ECDC (European Center for disease prevention and control ) wird die Wirksamkeit von medizinischen Gesichtsmasken zur Prävention von COVID-19 in der Bevölkerung als moderat eingestuft (Anm. d. Autors: moderat bedeutet mäßig, ein geringer Effekt ist da, er ist aber alles andere als grell). Diese Studienergebnisse müssen jedoch aufgrund der unvermeidbaren Einschränkungen einer Beobachtungsstudie (auf selbstberichteter Maskenverwendung basierend) mit Vorsicht interpretiert werden. Wie bereits angemerkt, liegen bislang keine klassisch randomisierten, kontrollierten klinischen Studie zum Direktvergleich chirurgischer und FFP2-Masken und dem Risiko einer SARSCoV-2-Infektion vor.

Eine weitere Einschränkung ist, dass die meisten publizierten Studien von einem korrekten Tragen der FFP2-Maske durch die befragten Personen ausgehen. In der Praxis liegt die FFP2-Maske jedoch bei vielen Menschen häufig nicht eng genug an, sodass die Luft beim Ausatmen wie bei einem Ausströmventil mit hohem Druck in die Umgebung gelangt. Eine schlechtsitzende Maske hat auch keinen, ggf. sogar einen negativen Effekt.“

Für FFP2-Masken im Alltag gibt es keine Evidenz

Das heißt nichts anderes, als dass zwar angenommen werden kann, dass eine FFP2-Maske bei optimaler Anwendung mit guter Schulung vor dem Gebrauch, der individuell exakten Größe und korrektem Tragen eventuell einen Infektionsschutz bieten könnte, für die reale (und oft fehlerhafte) Anwendung gibt es jedoch überhaupt keine Evidenz! Noch einmal: Es gibt keine Evidenz für einen Nutzen von FFP2-Masken im Vergleich zu chirurgischen Masken für die Gesundheit von Reisenden in Fernzügen und Schulkindern. Diese Gruppen werden ohne Sinn und Not gequält! Dies geht klar aus dem Gutachten hervor. Wie man nach diesem Gutachten überhaupt auf die Idee kommen kann, solche nicht nur den Atem, sondern auch die Freiheit einschränkenden Maßnahmen ohne jeglichen Beweis eines gesundheitlichen Nutzens in einem Infektionsschutzgesetz durchzusetzen, ist mir völlig schleierhaft.

Zwang zu Maßnahmen, für die kein Nutzen belegt ist

Bei falschem Tragen der FFP2-Masken könnte die Gefahr von Infektionen sogar größer sein. So gewinnt das Infektionsschutzgesetz doch eine ganz neue Bedeutung: Es schützt nicht die Menschen, sondern schützt die Infektionen und sorgt möglicherweise sogar für die Verbreitung von Infektionen!

Warum werden die Deutschen zu Maßnahmen gezwungen, für die kein Nutzen belegt ist? Warum können andere Länder, die ihre Bevölkerungen gewiss nicht fahrlässig großen Gefahren aussetzen möchten, so viel liberaler sein und erzielen damit nachweislich keine größeren Belastungen des Gesundheitssystems?

Arme Deutsche! Noch ärmere deutsche Bahnreisende (die Belastungen durch die ständigen Verspätungen sollten doch eigentlich ausreichen)! Und noch ärmere Schulkinder, für die Eltern, Lehrer, Schulleiter und Kinderärzte keine Zivilcourage aufweisen und angstgestörte Politiker mit dem Verweis auf die Studienlage und die Arbeitsschutzverordnung in die Schranken weisen!

Der Artikel ist im aktuellen Newsletter von Dr. Schmiedel erschienen, der unter www.dr-schmiedel.de abonniert werden kann.

Dr. med. Volker Schmiedel ist seit 35 Jahren als Arzt tätig, davon 20 Jahre als Chefarzt in einer Klinik für ganzheitliche Medizin. Seit Oktober 2015 praktiziert und lehrt er im Ambulatorium Paramed in Baar in der Schweiz. Zudem ist er Fortbildungsleiter für „Naturheilverfahren“ der Medizinischen Woche, Mitherausgeber der Zeitschrift „Erfahrungsheilkunde“ und des „Leitfaden Naturheilkunde“ sowie einer der meistgelesenen Fachautoren naturheilkundlicher Bücher und Artikel für Therapeuten und Laien, unter anderem in den Bereichen Nährstoffe, Burnout, Diabetes und Cholesterin.

Bildquelle: stock.adobe / EstanisBS

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